in diesem Blog stelle ich Euch meine veröffentlichten und unveröffentlichten Texte, Übersetzungen und Texte zur Zweisprachigkeit zur Verfügung. Ich freue mich auf Eure Kommentare.
Anna Steegmann
In this blog, you'll find my published and unpublished writing, my translations and texts about bilingualism. I am looking forward to your comments.
„Zwei Sprachen im Kopf zu haben oder vielmehr keine.“
(Georges-Arthur Goldschmidt)
Für das Englische habe ich nur Liebe. Es ist nicht besudelt, nicht zwiespältig. Die Sprache der Kindheit ist die Sprache der Angst, die Sprache des Grauens.
Ich bin zu deutschen Worten verdroschen und gedemütigt worden. “Aus Dir wird nie etwas, “ sagte der Vater. „Du bist der Fall von einem Viertelliter Kännchen, in das ich versuche einen halben Liter Milch hineinzuschütten,“ sagte die Deutschlehrerin.
Englisch: James Baldwin, Bob Dylan, Easy Rider, Woody Allen, Talking Heads.
Deutsch: Eichendorf, Brecht, Hildegard Knef, Fassbinder, Karl Valentin, Biermann.
Englisch ist das strahlende Blau des Himmels, das New Yorker Abendlicht. Der Himmel über Provincetown. Deutsch ist grau und Nieselregen. Die Münstersche Tiefebene. Der melancholische Niederrhein, Pappeln, die stramm stehen wie Soldaten.
Englisch ist äußerlich, oberflächlich, unzuverlässig, unkompliziert. Englisch sind Spaß, flüchtige Bekanntschaften und Small Talk.
Die Matrosen der Gorch Fock in der New Yorker U-Bahn. „Wo steigen wir aus wenn wir zum Central Park wollen?“ Heimlich lausche ich ihren Gesprächen. Wie schön das Deutsche klingt. Wie vertraut. Nach Spekulatius und Glühwein. Hier in New York darf ich mich hinzugesellen, mich in ihr Gespräch einmischen. Die Matrosen sind aus Versehen in den Express eingestiegen. „Wenn Sie nicht bei der nächsten Haltestelle aussteigen, landen Sie in Harlem,“ sage ich. Der junge Mann aus Heidelberg strahlt. Ich spreche seine Sprache.
Rita, eine Psychiaterin aus Berlin, ist zu Besuch. Wir sitzen in der U-Bahn. Rita, sichtlich aufgelebt, beflügelt, schwärmt von New York. Die zerfurchte, alte Dame uns gegenüber rutscht nervös auf der Sitzbank hin und her. Sie zittert, ist schrecklich bleich. Angst steht in ihren Augen. Sie durchbohrt uns mit ihren Blicken. Plötzlich steht sie auf, baut sich vor uns auf und brüllt: „Don’t you dare speak that bastard language in my town. Get out! Get out now!“
Die New Yorker U-Bahn hat mich und eine deutsch-rumänische Schriftstellerin zusammengebracht. Meine Freundin Liz sprach Carmen-Francesca Banciu an und erfuhr, dass sie in Berlin lebt und Schriftstellerin ist. „Then you have to meet my fried Anna. She’s from Berlin too. She’s a writer too.” So mühelos und einfach stiftet man in New York Freundschaften. Hätten wir uns in Berlin oder Bukarest auch so kennengelernt?
© 2008
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